Die deutsche Studierenden-Nationalmannschaft erlebte bei den World University Games eine Achterbahnfahrt der Gefühle, gekrönt mit dem Gewinn der Bronzemedaille im Teamwettbewerb. Gianluca Walther, früher selbst als Spieler mit dabei, bloggt in seiner neuen Funktion als Trainer wie gewohnt für myTischtennis.de über das Event und hat bereits auch einige Eindrücke seiner Spieler eingesammelt. Wie sich die Deutschen ablenken und wie der Individualwettbewerb angelaufen ist, lesen Sie hier!

Seit Sonntag ist in Chengdu viel passiert, nach dem Viertelfinaleinzug blieb am wettkampffreien Tag für unser Herren-Team genug Zeit, um das weibliche Pendant anzufeuern. Leider hat es im Achtelfinale gegen Südkorea nicht zum Weiterkommen gereicht. Meine Mannschaft legte danach gegen Rumänien einen tollen Auftritt hin, die Bronzemedaille war nach dem Einzug ins Halbfinale sicher. Ein großartiges Gefühl, aber wir wollten mehr! Während die Auslosung uns mit Hongkong noch das schwerste Los in der Gruppenphase zusprach, ging es im Halbfinale im Vergleich zu China und Japan gegen den vermeintlich einfachsten Gegner Taiwan.

Unterstützung von Dang Qiu aus Peru

Deshalb war im deutschen Lager die Stimmung klar: Es sollte ins Finale gehen! Das war natürlich ein ambitioniertes Ziel als Außenseiter, zumal noch nie zuvor ein deutsches Team im Finale der World University Games gestanden hat. Ein großer Schritt also. Mit jeder Menge Selbstvertrauen und Zuversicht traten unsere deutschen Studenten Taiwan entgegen, das in seinem Kader die Nummern 103, 157, 393 und 513 der Weltrangliste aufzubieten hatte. 

Gut vorbereitet – auch dank der Expertise von Dang Qiu, der aus Peru heraus dem deutschen Team aus seinem Taktikbuch vorlas – betrat das Team die Arena und unterstrich seine Zielsetzungen mit einem lautstarken und couragierten Auftritt. Und siehe da: Wir gingen mit 1:0 in Führung! Florian Bluhm bezwang Yang Tzu-Yi! Aber Taiwan glich aus: Tobias Hippler unterlag Huang Yan-Cheng mit 1:3. Im Verlauf des dritten Spiels zwischen Kirill Fadeev und Li Hsin-Yang schwand die deutsche Zuversicht, wie seine Mitspieler später zugaben. Doch beim Stand von 1:2 und 4:7 holte Kirill plötzlich alles aus sich heraus, fasste sich ein Herz und triumphierte mit 11:9 und 11:9! Wir führten wieder! 

Emotionen nicht in Worte zu fassen

Tobias Hippler stieg ein zweites Mal in die Box. ‚Hippie‘ agierte mutig und offensiv, erspielte sich viele Chancen und gestaltete das Spiel auf Augenhöhe. Mit viel Variation und Präzision erarbeitete er sich sogar Vorteile, dennoch rannte er einem Rückstand hinterher und klaute sich den ersten Satz mit 12:10 nach einem abgewehrten Satzball. Dann eine 3:1-Führung im zweiten Satz, Taiwan zog das Time-out. Die Spannung war immens. Yang Tzu-Yi kam gut zurück, führte plötzlich 6:4 und ließ bei einer 10:9-Führung seinen Satzball dieses Mal nicht ungenutzt. 1:1, 8:7. Deutschland zog das Time-out. 11:8! 

Nur noch ein Satzgewinn trennte das deutsche Team vom Finaleinzug. Und ‚Hippie‘ kam der Sensation immer näher: Plötzlich waren zwei Matchbälle da – 2:1, 10:8. 10:9. 10:10. Wir dachten: „Das darf doch nicht wahr sein.“ 11:10, nächster Matchball. Ein weiteres Mal abgewehrt. Und dann ging der Satz endgültig verloren. Im Entscheidungssatz war der Taiwanese von Beginn an in Führung und erzwang mit 7:11 das abschließende Spiel zwischen Florian Bluhm und Huang Yan-Cheng. Die deutsche Bank bäumte sich auf und feuerte ihren Abwehrspezialisten so gut es nur ging an. Aber Huang behielt eine lockere Hand und setzte sich leider durch. Die Emotionen waren nicht in Worte zu fassen. 

Gemischte Gefühlslage und Frust-Essen nach Halbfinal-Aus - Chaotischer Wettkampftag 

Der Blick auf die abschließende Statistik bestätigte, dass unsere Jungs nur einen einzigen Punktgewinn vom historischen Einzug ins Finale entfernt waren: Spiele: 2:3; Sätze: 11:12; Bälle: 207:207 – Wahnsinn. 

Enttäuscht. Niedergeschmettert. Sauer. Traurig. Verzweifelt. Wütend. Ein Mix all dieser und vieler weiterer Emotionen überwog in den Köpfen des Teams, als es am späten Montagabend nach der bitteren 2:3-Niederlage gegen Taiwan zurück ins „Games Village“ ging. In der Mensa wurde kurz vor Mitternacht noch zu Abend gegessen. Und auf den Tellern so einiges entdeckt, was einem Frustessen glich: Pommes, Burger, Hot Dogs, Pizza, Muffins. Ein klares Indiz für die anhaltende Stimmungslage. 

Die Spieler waren am Boden, schleppten sich nach einem nächtlichen Spaziergang nur noch ins Bett. Und am nächsten Tag? Bei den Damen fünf souveräne Siege und somit fünfmal der Einzug ins Hauptfeld. Bei den Herren hingegen das reine Chaos: Ein vergessener Schläger hier, ein verlorener Schuh dort. Die deutschen Studenten standen noch immer neben sich. Es war ganz offensichtlich ein schwerer Gang in die Halle. Doch drei der fünf Spieler fuhren im letzten Gruppenspiel einen Sieg ein, vier von ihnen zogen ins K.o.-Feld ein. Noch einmal achtbar aus der Affäre gezogen, kann man so sagen. 

Glücklicherweise war der Arbeitstag damit beendet. Es folgten nacheinander die Team-Finals in der Wettkampfstätte. Die deutsche Delegation blieb jedoch nicht, fuhr stattdessen zurück ins Dorf. Mittagsschlaf. Gefolgt von einem Ausflug in die Stadt für die Frauen sowie der Unterstützung durch die Männer für die Sportschützen. Anna Janßen (Dreistellung) holte dabei einen herausragenden vierten Platz. 

Ablenkung fürs deutsche Team - Beginn der Doppelwettbewerbe

Abends sollte noch ein weiterer Ausflug zum Volleyballspiel der Frauen zwischen Deutschland und Argentinien folgen, doch das Geschehen in der Tischtennishalle machte uns einen Strich durch die Rechnung. Japans Damen leisteten den Chinesinnen erbitterten Widerstand und waren nur mit 3:2 zu bezwingen. Der Beginn des Herren-Finals verzögerte sich so und damit ebenso die anschließende Medaillenzeremonie für unsere Studenten-Nationalmannschaft. 

Bereits in Erwartung der Medaille war meine Mannschaft schon deutlich zufriedener als noch am Morgen. Spätestens mit der Medaille um den Hals, den zahlreichen Autogramm- und Foto-Wünschen der Helferinnen und Helfer sowie Fans machte sich dann zusätzlich Stolz breit. „Natürlich, Silber wäre geiler gewesen. Aber egal. Zwei Teilnahmen und zweimal Bronze – das ist eine sensationelle Ausbeute“, freut sich Florian Bluhm stellvertretend.

Der vorgesehene Mannschaftsabend samt Volleyballspiel der Frauen ist vermutlich nur aufgeschoben. Denn am Donnerstag findet das Viertelfinale statt und ein Besuch dort ist fest eingeplant. Bis dahin warten allerdings noch etliche Herausforderungen auf unsere Tischtennis-Delegation. Heute beginnen nämlich die Doppelwettbewerbe mit zwei Runden im Damen- sowie Herren-Doppel und drei Runden im Mixed-Doppel. Zudem steht die erste K.-o.-Runde im Einzel an. Auf geht’s, Deutschland!

Nur Hohmeier scheitert in der Gruppe

Nach der Gruppenphase durfte das deutsche Tischtennis-Team mit sich zufrieden sein. Beinahe alle Spielerinnen und Spieler zeigten gute Leistungen und qualifizierten sich damit für die nächste Runde, die ab Donnerstag im K.-o.-System unter den besten 64 ausgespielt wird. Lediglich Nils Hohmeier (IU Internationale HS) zog in einer starken Gruppe den Kürzeren. „Mit den Gruppenspielen sind wir in der Summe sehr zufrieden, die Auslosung ist dagegen alles andere als einfach. Eine Finalplatzierung wäre durchaus eine Überraschung, dennoch gehen wir optimistisch in die Wettkämpfe“, resümierte adh-Disziplinchef Oliver Jetter.

FISU.TV (kostenpflichtig) sowie Eurosport 1 und 2 bieten ebenfalls eine Übertragung der Veranstaltung an. Gebloggt wird im Abstand von wenigen Tagen. 

Zu den Ergebnissen auf der Veranstaltungsseite und den Tagesübersichten auf der adh-Webseite!

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